Unruhiges Wissen – Konstellation und Situatives Wissen bei Walter Benjamin und Donna Haraway
Workshop 06./07. April mit
Prof. Astrid Deuber-Mankowsky
„Nur eine partiale Perspektive verspricht einen objektiven Blick.“
Donna J. Haraway

Walter Benjamin beginnt seine dichte und komplexe »Erkenntniskritische Vorrede« zum Ursprung des deutschen Trauerspiels (1925) mit dem Hinweis, dass philosophisches Schreiben sich immer von Neuem mit der Frage der Darstellung konfrontiert sehe. Von hier aus beginnt er eine kritische Absetzbewegung gegen den philosophischen »Systembegriff des XIX. Jahrhunderts«. Was er jedoch nicht aufgibt, ist die systemphilosophische Gliederung in Logik, Ethik und Ästhetik. Ja, er sieht in dieser Gliederung ein Denkmal der »diskontinuierlichen Struktur der Ideenwelt« und leitet daraus das Konzept der Ideen als »ewige Konstellationen« her.
Das Bekenntnis zum platonischen Idealismus erscheint bei genauerer Lektüre als Umweg zu einem philosophischen Verfahren, das die Erfahrung der Historizität als vergängliche Erfahrung in die Philosophie selbst einschreibt. Philosophie unterscheidet sich von den Wissenschaften dadurch, dass ihr Gegenstand nicht Erkenntnisse sind, sondern die Historizität der Erfahrung und die Historizität der wissenschaftlichen Erkenntnisse.
Damit eröffnet sich die Verbindung zu Donna J. Harawaysetwas mehr als 60 Jahr später entwickeltem methodischem Verfahren des »Situierten Wissens«. In Ihrem Essay „Situated Knowledges. The Science Question in Feminism and the Privilege of a Partial Perspective“ (1988) plädiert Haraway für einen Begriff von Objektivität, der nicht auf der globalen Perspektive eines neutralisierten Erkenntnissubjekts beruht, sondern auf verkörperten und situierten Erkenntnisprozessen konkreter AgentInnen: „Die Wissenschaftsfrage im Feminismus zielt auf Objektivität als positionierter Rationalität. Ihre Bilder sind kein Produkt […] eines Blicks von oben herab, sondern der Verknüpfung partialer Sichtweisen und innehaltender Stimmen“.
In dem Workshop werden wir dieser Verbindung entlang der vorgängigen Lektüre und der Satz-für-Satz-Lektüre ausgewählter Passagen aus den Texten von Benjamin und Haraway nachgehen. Im März findet eine Online-Vorbesprechung statt (genauer Termin nach Teilnahmebestätigung).
Lektüre
- Walter Benjamin: »Erkenntniskritische Vorrede«, in: GS I.1, S. 207-228; »Erfahrung und Armut«, in: GS II.1, S. 213-219.
- Donna J. Haraway, »Situated Knowledges. The Science Question in Feminism and the Privilege of Partial Perspective«, in: Feminist Studies, 14.3 (1988), S. 575–99
- Weiterführend: Astrid Deuber-Mankowsky: Praktiken der Illusion. Kant, Nietzsche, Cohen, Benjamin bis Donna J. Haraway, Berlin 2007, S. 271-311.
Astrid Deuber-Mankowsky ist Professorin für Medienöffentlichkeit und Medienakteure unter besonderer Berücksichtigung von Gender. Sie hat zur Gender- und Queertheorie, ebenso zur Medien- und Erkenntnistheorie publiziert. U.a. sind von Ihr erschienen: Situiertes Wissen und regionale Epistemologie: Zur Aktualität Canguilhems und Donna J. Haraways(Turia+Kant, Wien 2013) und Praktiken der Illusion von Kant, Nietzsche, Cohen, Benjamin bis Donna J. Haraway(Vorwerk, Berlin 2007). Persönliche Website: adm.blogs.ruhr-uni-bochum.de
Teilnahme: Bewerben können sich Studierende aller Fächer.
Schickt uns eine Email an tagungkonstellationen@gmail.com und fachschaft.philosophie@gmx.de mit
- eurem Namen und eurem Studienfach
- zwei, drei Sätze, warum Ihr Euch für den Workshop interessiert, mit welchen ähnlichen Themen Ihr Euch bereits beschäftigt habt oder was Ihr gerne besprechen auf dem Workshop bzw. der Tagung diskutieren würdet.
- im Betreff: „Anmeldung Unruhiges Wissen“ & „Euer Nachname“
Verlängerung der Deadline: 01. März 2021
Rückmeldung bis 05. März 2021
Der Workshop gilt als Auftakt für die Tagung „Konstellationen – Wissensansprüche zwischen Kunst, Politik und Philosophie vom 08. – 10. April. Der Workshop ist keine Voraussetzung für die Tagung, aber bereitet zentrale Themen und Fragen der Tagung vor. Wir laden alle Teilnehmer des Workshops ein, auch an der darauffolgenden Tagung teilzunehmen.
Anfahrt und Unterkunft: Die Tagung kann je nach Umständen online oder in Präsenz stattfinden. Bei Anfahrten aus Stuttgart oder der Region helfen wir beim Finden einer kostengünstigen Unterkunft. Wir bemühen uns um eine Erstattung der Reisekosten.